Ecuador-Aufenthalt 2014

Im August und September 2014 war Martin Rothe ein zweites Mal mit Musiker ohne Grenzen in Guayaquil, der größten Stadt in Ecuador, um dort an der Musikschule Clave de Sur zu unterrichten.

„Diese zweite Reise nach Ecuador war für mich wieder eine sehr intensive und schöne Erfahrung. Vieles war genau wie vor zwei Jahren: Ich durfte in derselben („meiner“) Gastfamilie wohnen und habe teilweise dieselben Schüler unterrichtet und natürlich Freunde wiedergetroffen.
Seitdem ich 2012 zum ersten Mal bei Clave de Sur unterrichtet habe, habe ich mit meiner Familie und einigen ecuadorianischen Freunden über Internet Kontakt gehalten; umso schöner war es, diese nun persönlich wiederzutreffen und an all die bisher nur online geführten Unterhaltungen direkt und persönlich anknüpfen zu können.

Guasmo im Sonnenuntergang

Was mich sehr gefreut hat, war die Tatsache, dass sich die Sicherheitslage im Guasmo Sur, dem Stadtteil in dem die Musikschule liegt, deutlich verbessert hatte. Noch 2012 bestand meine Gastfamilie darauf, dass ich keinen Schritt alleine durch das Viertel gehe. Zu groß wäre dabei die Gefahr gewesen als Fremder, und damit als Tourist (also jemand, der aus ecuadorianischer Sicht viel Geld hat) angesehen und möglicherweise ausgeraubt zu werden.
In einem Stadtviertel, in dem sich so gut wie alle untereinander kennen, fällt ein Fremder natürlich sofort auf. Wenn man hingegen mit seinem Gastbruder (oder auch nur der kleinen Gastschwester) durch die Straßen läuft, ist es sofort für jedermann erkennbar, zu welcher Familie man gehört und dass man (wenn auch nur für eine bestimmte Zeit) in dieser Familie lebt und als Freiwilliger dort arbeitet. Damit sinkt die Gefahr eines Überfalls erheblich.
Dieses Mal konnte ich mich zumindest so lange es draußen hell war mehr oder weniger frei bewegen, ohne dass ich groß Gefahr gelaufen wäre, überfallen zu werden. Nach Einbruch der Dunkelheit ließ ich mich jedoch trotzdem noch oft von ecuadorianischen Freunden oder Familienmitgliedern begleiten.
Leider hatte ich auch das Pech, vom Dengue-Fieber heimgesucht zu werden, so dass meine für das Unterrichten ohnehin schon recht kurze Zeit durch die Krankheit nochmals etwas verkürzt wurde.

Dennoch habe ich musikalisch einiges geschafft, von dem, was ich mir vorgenommen hatte:

Übergabe der Spendengitarre

Auf meinem Flug von Frankfurt nach Guayaquil transportierte ich im Handgepäck eine gespendete Gitarre. Diese lagerte bereits seit über einem Jahr in meiner Wohnung und konnte nun endlich an den Koordinator John übergeben werden, der sie wiederum in das Musiker-ohne-Grenzen-Projekt nach Olón gebracht hat, in dem sie schon erwartet wurde.

Geigenensemble

Neben vielen Stunden Einzelunterricht haben meine Geigen-Kollegin Jana und ich die  „Geigengruppe“ wieder ins Leben gerufen! Obwohl wir nur ein paar Wochen Zeit hatten und viele Anfänger dabei waren, konnten wir im Abschlusskonzert einen zweistimmigen Kanon zu spielen. Die Anfänger spielten eine extra geschriebene sehr leichte Stimme; mit den Fortgeschritteneren konnten wir bei den Proben und im Einzelunterricht teilweise schon an Bogentechnik und musikalischem Ausdruck (Dynamik) arbeiten.

Trotz aller ecuadorianischen Widrigkeiten haben Jana und ich es geschafft, die teilweise sehr reparaturbedürftigen Musikschulgeigen zu einem Geigenbauer zu bringen und dort von Spendengeldern, die ich bei einem Benefiz-Schülerkonzert in Mosbach eingenommen hatte, reparieren zu lassen.

Auf dem Weg zum Geigenbauer

Was für deutsche Verhältnisse so einfach klingt („mal eben zum Geigenbauer gehen“), ist in Guayaquil eine wirkliche Herausforderung! Wir mussten uns ganz auf die Koordinatoren der Musikschule verlassen: Diese wussten zwar ungefähr, wo es einen Geigenbauer gab; allerdings hielten sie nicht viel von ihm: er hätte seine Werkstatt sehr weit von der Musikschule entfernt, sei sehr teuer und sehr dick … Das letzte Argument mag aus deutscher Sicht absurd klingen … – war es natürlich auch! Dennoch brauchte es mehrmaliges Nachfragen und über mehrere Tage verteilte immer wieder neue Anläufe bis wir schließlich mitsamt den kaputten Musikschulgeigen auf dem Weg zum Geigenbauer waren.

Fast eine ganze Stunde fuhren wir durch die Stadt, bis wir an der vorher telefonisch besprochenen  Adresse ankamen und tatsächlich mit dem Geigenbauer sprechen konnten. Wir hatten neben den reparaturbedürftigen Geigen auch noch einige Geigenbögen dabei, um diese neu behaaren zu lassen. `Behaaren kostet 15$´, ließ uns der Geigenbauer wissen. – `Wunderbar, dann möchten wir bitte drei Bögen neu behaaren lassen!´ – `Habt ihr Bogenhaare dabei?´ –  `Nein, wir dachten, die haben Sie vorrätig?! Was kosten die denn?´ –  `15$! … In den USA. HIER habe ich keine!´

Beim Geigenbauer

Etwas ernüchtert, aber auch belustigt ließen wir die Geigen zur Reparatur da und nahmen die Bögen wieder mit, ohne sie neu behaaren zu lassen. Wenn ich das nächste Mal nach Ecuador fliege, werde ich ich sicherlich viele Bogenhaare im Gepäck haben …“